Warum ein Buchtrend gerade an den Bibliotheken vorbei zieht

Beim Bummeln mit meiner Frau sind wir (natürlich) auch in eine Buchhandlung gegangen. Ein wunderschöner Stand mit sehr schönen Büchern war da präsentiert. Und sie hat auch gleich zugegriffen.

secret garden

Daneben gab es auch gleich entsprechende Stifte. Irgendwann wurde in letzter Zeit der Trend „Stressabbau durch Malen“ von der Verlagsindustrie entdeckt. Ob das alles mit Mandalabildchen angefangen hat, vermag ich nicht zu sagen. Auch andere Blogs rätseln – verfallen jedoch zugleich der Sucht. Meine Kollegin bloggte übrigens schon im November 2015 darüber.

Und anstatt früher in Bus und Bahn das zu transportierende Objekt zu verhübschen, was aufgrund immer ausgefallener Sitzmuster schnell unsichtbar wurde, gibt es auch dafür Malbücher – natürlich in der von mir geliebten Pocketform vom Fischerverlag:

bahnmalenDie angebotene „Leseprobe“ wird da eher zur Ausprobierprobe: http://www.fischerverlage.de/media/fs/308/LP_978-3-596-52115-9.pdf

Der Trend muss wirklich groß sein, denn von Tageszeitungen bis hin zum Spiegel wurde berichtet, das die Hersteller zum Teil Sonderschichten schieben müssen:

http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Ausmalbuecher-fuer-Erwachsene-bescheren-Stifteherstellern-Boom-id37394537.html

Wolfgang Tischer von @literaturcafe twitterte am 29.4.2016 dazu:

Ausmalbücher, die keine Bücher sind, die gelesen werden, verfälschen derzeit die Statistiken.

Es wird also gar nicht mehr gelesen – es wird nur mehr ausgemalt? Ist der Trend so stark? Ist der Bornout so groß, wie es das Bayerische Fernsehen am 05.04.2016 nannte?

Ich stellte dem Azubi in der Buchhandlung übrigens die Mehrwertsteuerfrage, die er im Gegensatz zu den anderen Angestellten dort absolut richtig beantworten konnte. Ausmalbücher sind mit 19% Mwst besteuert. 2012 waren Malbücher für Erwachsene noch eine Rarität – aber über den Sonderfall mit der Mwst. habe ich schon mal gebloggt.

Und nun? Schauen die E-Book-Leser in die Röhre? Nein! Tobias Wissmann twitterte am 2. Mai den entscheidenden Hinweis:

Bei diesem Trend bin ich jetzt aber ganz vorne mit dabei: Ausmalbücher als eBooks.

http://the-digital-reader.com/2016/05/01/is-it-really-a-coloring-ebook-if-you-print-it-yourself/

Hm, bisher konnte man doch auch bei E-Readern fröhlich vor sich hin malen. Aber scheinbar reicht die Phantasie nicht oder der Perfektion muss nun Vorschub geleistet werden. Beim Digitalisat jedoch gibt es für Bibliotheken einen entscheidenden Vorteil – das Buch sieht mit jeder Ausleihe aus wie Neu – bei Ausmalbüchern auf Papier kennen wir das Phänomen ja seit Jahrzehnten von Büchern mit Lückentexten, Matheaufgaben oder Sprachlernratgebern. Auch Bleistifte hilft uns da nicht weiter – bitte nichts reinschreiben.

Deswegen wird der suchende Nutzer auch in der Bibliothek leider keine Ausmalbücher finden. Aber beim nächsten Trend sind wir wieder mit dabei…

ScG – Gerald Schleiwies

7 Antworten zu “Warum ein Buchtrend gerade an den Bibliotheken vorbei zieht

  1. Ich hab diese Malbücher ja wegen meiner Allergie gegen alles, was den Aufdruck „Achtsamkeit“ bekommt, gefressen … Der Artikel war trotzdem hilfreich, denn jetzt weiß ich endlich, warum die Bezüge im ÖPNV immer psychedelischer werden – die „Beschmierungen“ fand ich ehrlich gesagt spannender.
    Und einen Beitrag zum Thema Colouring e-Books habe ich auch noch: Man braucht dafür nur ein entsprechendes eBook, ein paar Eddings in verschiedenen Farben und Dicken und natürlich einen großen Vorrat an eReadern. 😉

    • Also einen Vorrat an e-Readern haben wir, aber zum Glück keine Ausmalbücher in unserer Onleihe, sonst hätten wir diese sicher bald nicht mehr 😉
      Ich oute mich, ja ich habe selber solche Bücher. Ab und an lasse ich auch die Farben spielen. Ach ja, es gibt sogar ein passendes Doctor Who Malbuch 😉 Und da ich Nerd bin, konnte ich an dem nun wirklich nicht vorbei gehen – Sü

  2. Kleiner Nachtrag von Buchhändler zu Bibliothekar. Es kann nicht so (pauschal) richtig sein, dass Ausmalbücher für Erwachsene dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen. Die Ausmalbücher aus den Verlagen Topp, DK, Christophorus, Knesebeck oder die Hefte von EMF – um die erfolgreichsten Verlages dieses Trends zu nennen – unterliegen wie „normale“ Bücher nur dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7%. Selbst die Titel aus dem modernen Antiquariat in unserer Filiale werden nur ermäßigt besteuert.

  3. Pingback: Warum ein Buchtrend gerade an den Bibliotheken vorbei zieht | Nachrichten für öffentliche Bibliotheken in NRW

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